24.10.2011 - In vier Wochen beginnt der Horror-Winter

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24.10.2011 - In vier Wochen beginnt der Horror-Winter

Beitragvon Maik » 16.09.2021, 05:48

In vier Wochen beginnt der Horror-Winter


Rostock - Bildzeitung-Leser dürfte dieser Artikel bereits aufgefallen sein. Und wieder einmal meldet sich Diplom-Meteorologe und Wetterexperte Dominik Jung zu Wort und gibt uns sogar eine Prognose auf den kommenden Winter. Die in dem folgenden Beitrag verwendeten Zitate stammen aus dem Bildzeitungsartikel: http://www.bild.de/news/inland/winter/knackig-kalt-und-viel-schnee-in-vier-wochen-beginnt-der-horror-winter-20503180.bild.html



Um erst einmal die Ehre aller seriösen Meteorologen und Hobbymeteorologen zu wahren, sollte eines gesagt sein. Prognosen über einen derartigen Zeitraum sind nicht möglich. Es sind schlichtweg Vermutungen und führen letztlich zu einem schlechten Ruf des ernsthaft tätigen Meteorologen und Hobbymeteorologen.

Nun zum Eigentlichen, um das es hier gehen soll: Zitate aus der Bildzeitung und deren nähere Betrachtung. Gleich zu Beginn des Artikels weist uns die Bildzeitung mit folgenden dick gedruckten und mit Ausrufezeichen beginnenden Satz auf ein Wettereignis nie vorher gekannten Wetterereignis hin: "Er wird kommen. Mit Minusgraden und viel Schnee. Drei Monate lang. Und Ende November geht es schon los!"

"Er wird kommen" heißt gleich der erste Teilsatz und macht somit die Prognose für den kommenden Winter schon fest. Weiter heißt es "Mit Minusgraden und viel Schnee. Drei Monate lang. Und Ende November geht es schon los!" Wer sich mal mit dem Wetter etwas auseinander setzt, der weiß, wie schwierig es schon ist, genaue Wetterprognosen für 4 Tage und mehr zu erstellen. Aber wir werden eines Besseren belehrt. Was Meteorologen heute noch nicht können, kann aber die Bildzeitung und allen voran Dominik Jung und sein Team von wetter.net. Mit seriösen Journalismus hat dieser Artikel meines Erachtens nichts mehr zu tun.

Aber gut, schauen wir mal weiter, was uns dort noch verkauft wird. Etwas wagemutig und unsicher die Aussage für den Novemberbeginn. "Der November startet wahrscheinlich noch sehr mild […]" schon hier zeigt sich in der Aussage die Unsicherheit. Dabei ist der Novemberbeginn doch nur noch 8 Tage hin. Und schon wird mit Worten wie "wahrscheinlich" gezeigt, dass man sich doch nicht so sicher ist. Sicherer ist sich die Bildzeitung und donnerwetter.de bereits bei folgender Aussage: "[...]so dass der Absturz der Temperaturen Mitte/Ende November recht heftig ausfällt". Was ist wohl daran nicht ganz so seriös? Im ersten Teilsatz fängt man mit "wahrscheinlich" an, endet aber mit einem sicheren Temperatursturz Ende des Monats. Womöglich ist hier schon alleine die Tatsache geboren, Unsicherheit zu kaschieren um den Leser dann auch noch bei Laune zu halten.

Donnerwetter.de kommt im ersten Absatz noch mit folgender Aussage: "Wir erwarten dann sogar schon die ersten Schneefälle bis ins Flachland […]". Dies ist im Winter keine Seltenheit und gab es sogar kürzlich, vor zwei Jahren auch in Rostock (wir berichteten in unserem Artikel Wintereinbruch in Mecklenburg-Vorpommern vom 4. November 2009.

Wetter"experte" Dominik Jung setzt dem ganzen noch die Krone mit folgender Aussage auf: "Dieser schneereiche Winter wird sich wohl über die ganzen drei Monate bis ins Flachland erstrecken […], [...]Und knackig kalt wird es dazu.[...]". Wie kann die Bildzeitung bitte soetwas drucken. Will sie mit derartigen Aussagen dem Einzelhandel Hamsterkäufe finanzieren oder der Streumittelindustrie einen guten Absatz verschaffen oder gar den Heizöllieferanten einen Engpass an Heizöl bescheren?

Anschaulich erklärt uns Diplommeteorologe Dominik Jung nun folgendes: "Für Deutschland steht der vierte zu kalte Winter in Folge an. Das heißt, zum vierten Mal hintereinander liegen die Mittelwerte der Temperaturen unter den klimatologischen Referenzwerten von 1961 bis 1990. "Der vierte zu kalte Winter in Folge wäre eine kleine Sensation". Sensationell. Spricht die Menschheit von der "Klimaerwärmung" kommt diese in Deutschland doch glatt mit dem vierten zu kalten Winter an. Es gab schon viele kühle Winter. Auch schneereich dürften diese ausgefallen sein. Richtige Aufzeichnungen zum Wetter gibt es aber erst seit knapp 150 Jahren. Nachfolgend kamen dann auch noch Wettermessstationen hinzu, die noch weniger als die 150 Jahre messen. Aber wir glauben doch, was uns Herr Jung da weiß macht? Oder etwa nicht? Ist es denn eine Sensation, wenn vier Jahre nacheinander Schnee fällt? Ich denke eher weniger. Schnee gab es in den vergangenen Jahren in jedem Winter. Mal mehr und mal weniger. Der letzte und vorletzte Winter hatten ein paar mehr Schneetage im Gepäck, wobei 2010 erst im Januar im Nordosten der Winter mit Eis und Schnee eintraf und Ende 2010 sogar weiße Weihnachten auf dem Plan standen. Zu Schnee an Weihnachten gleich noch ein bisschen mehr.

Zunächst aber wieder zurück zu unserem, ich nenne ihn mal, Schmunzelartikel. Wetter.net macht es uns allen vor, wie eine seriöse Winter-Wetter-Prognose aussehen sollte.

"Dezember: Der Monat bringt anfangs einen Wechsel aus kalten und milden Wetterphasen. […]". Dieser Aussage kann man sehr viel entnehmen oder sogar gar nichts. Wie würde wohl, wenn Wettervorhersagen so aussehen, die Prognose für die kommenden Tage aussehen?

Hier mal mein Beispiel für die Woche vom 24.10. bis 30.10.2011 für Mecklenburg-Vorpommern. Anfangs gibt es einen Wechsel aus Sonne und Wolken, wobei auch Hochnebel mit im Spiel ist. Dazu muss immer mal wieder mit Niederschlag in flüssiger oder fester Form gerechnet werden. Neben milden Phasen bis 20 Grad, sind in diesem Zeitraum durchaus auch kühle Phasen bis -10 Grad dabei. Den Wind lassen wir mal außer Acht, er ist nicht wichtig.

Was können Sie als Leser jetzt einer solchen Wettervorhersage, wie im Absatz zuvor geschrieben, entnehmen? Wahrscheinlich nichts. Am besten ist es, immer einen Regenschirm oder eine Regenjacke dabei zu haben. Aber bloß nicht zu warm anziehen, denn am Tage "können" ja bis zu 20 Grad erreicht werden. In den Nächten dagegen sollte warme Kleidung eingeplant werden. Das Zwiebelverfahren bei der Kleidung wäre hier von Vorteil. Unter der langen Hose könnte dann auch noch eine kurze Hose platziert werden, die dann zum vollen Einsatz kommt, wenn die 20 Grad erreicht werden. Der Subtext dieser fiktiven und ungenauen Vorhersage sollte aber ernst gesehen so aussehen: Wir wissen nicht, was wir tun, verkaufen es ihnen aber trotzdem, denn was gibt es schöneres, als medienwirksame Schlagzeilen und reißerische Texte.

Gut, das wäre ja schon fast ein Schlusswort gewesen, wenn da nicht noch weitere Textteile zum interpretieren oder gar zum Erörtern wären. Aussage wetter.net: "Dabei fällt vor allem in höheren Mittelgebirgslagen immer wieder Schnee." Dies ist im Winter auch keine Seltenheit. Hier werden aber nur die Mittelgebirge als Gesamtes angesehen. Höhenlagen kommen erst einen Satz später zur Sprache, besonders im Bezug auf weiße Weihnachten.

Weiße Weihnachten 2011 sind so gut wie für jeden drinnen. Mit Prozenten wird ja bekanntlicher Weise schon Anfang Dezember nur so um sich geworfen. Aus gestrigen 75 Prozent werden plötzlich nur noch 5 Prozent und umgedreht. Wetter.net sieht das aber anders. "Chancen auf Schnee zu Weihnachten bis runter ins Flachland liegen bei 40 Prozent, [...]" Wer es vergessen hat, heute ist der 24. Oktober 2011. Bis zum 24. Dezember 2011 sind es noch 61 Tage oder 1464 Stunden oder 87840 Minuten oder wer es ganz genau nimmt 5270400 Sekunden. Viele Wettermodelle rechnen uns das Wetter bis zu 3 Tagen aus. Andere gehen bis auf 8 oder maximal 16 Tage, wobei der Bereich von 8 bis 16 Tagen schon zum Glaskugelbereich der Meteorologie gehört. Wetter.net scheint eine Ultraglaskugel zu besitzen, die zudem noch die Stochastik beherrscht.

Ich war gerade eben bei den Höhenangaben und der Wahrscheinlichkeit auf weiße Weihnachten. "[...]bei Lagen über 200 Meter bei 60 Prozent[...]". Dies würde bedeuten, dass mehr als 75% der Fläche von Deutschland an Heilig Abend mit Schnee zu kämpfen hat. Es scheint auch nicht abwegig zu sein, dass wieder einmal von abgeschnittenen Orten die Rede sein könnte. Aber dank des Schnees "[...] fällt der Dezember normal bis leicht zu kalt aus[...]." Schnee hat eben auch eine wärmende Eigenschaft, zumindest für alles was unter ihm liegt.

Noch mehr Schnee wird uns im Januar 2012 versprochen: "Januar: Der Monat wird deutlich kälter als normal ausfallen. Nachts stellenweise bis minus 25 Grad kalt. Zeitweise gibt es besonders in höheren Lagen kräftige Schneefälle." Da fehlen mir ja fast die Worte. Wo werden die -25 Grad denn erreicht? Am Funtensee im Südosten Bayerns sind diese Werte keine Seltenheit. Sie werden dort jährlich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erreicht. Vielleicht handelt es sich bei den -25 Grad aber auch um bodennahe Temperaturen, die über dem Schnee gemessen werden. Diese treten meist dann auf, wenn Schnee liegt und nachts die Wolkendecke aufreißt. Aber auch Anfang des Jahres wurde uns von Dominik Jung der Sommer mit 40 Grad versprochen, aber der ist irgendwie nicht aufgetreten. Dazu gleich noch mehr.

Der Monat Februar klingt dagegen etwas vertraut, hatten wir den nicht dieses und vergangenes Jahr auch schon einmal so erlebt? "Februar: Auch dieser Monat wird kälter als im langjährigen Mittel ausfallen. Immer wieder gibt es Schneefälle bis in tiefe Lagen und das bis Monatsende, stellenweise noch hinein bis in den März hinein!" Hier wird einfach in die Trickkiste gegriffen. Wenn der Dezember und Januar schneereich sind, wird es der Februar mit Sicherheit. Dies geht ja dann schon aus den vergangenen beiden Jahren hervor. Das weiß ein Meteorologe oder Hobbymeteorologe, jedoch der normale Leser weiß gar nicht, welche Bezugsquellen wetter.net, donnerwetter.de und allen voran Dominik Jung verwenden, worauf sie sich stützen. Vielleicht ist es ihr Bauchgefühl oder sie trinken Kaffee und lesen anschließend aus dem übrig bleibenden Satz.

Alles in Allem wird hier wieder einmal bewiesen, dass mit "Bibber-Alarm: In vier Wochen beginnt der Horror-Winter!" der Leser total verrückt gemacht werden soll und sich derartige Schlagzeilen sehr gut verkaufen. Nun stürmen wahrscheinlich sogar heute noch die ersten Leser Richtung Supermarkt und decken sich ein. Wie wir wissen, weiß die Bildzeitung ja alles etwas früher. Besonders dann, wenn sie tatkräftige Unterstützung von Wetterexperten bekommt, denen es nicht zu schade ist, ihren bis dahin vielleicht noch guten Ruf komplett zu verschenken. Was dann schade ist, dass ein ganzer Berufsstand, in diesem Fall der Meteorologie und natürlich auch aller Hobbymeteorologen, in den Dreck gezogen wird, ist oben erwähnten Wetterdiensten und Wetterexperten eigentlich egal. Hauptsache die Kohle stimmt am Ende des Tages, Monats und Jahres.

Da wundert es mich einerseits nicht, wenn immer wieder auf die "schlechten" Wettervorhersagen geschimpft wird, aber Diplommeteorologe und selbst ernannter "Wetterexperte" Dominik Jung mit seinen waghalsigen Aussagen immer wieder ungeschoren davon kommt. Wer Prognosen á la Bildzeitung mit, ich nenne ihn mal Anhängsel, Dominik Jung bei Jahreszeitwetterpronosen noch Glauben schenkt, sollte sich hinterher bewusst sein, nicht zu meckern, wenn das, was uns geschrieben wurde, nicht eintrifft.

In diesem Sinne freue ich mich schon mit etwas Schadenfreude, auf die wirklich im seriösen Zeitraum stattfindenden Wetterprognosen. Am Ende des Winters könnte dann ein weiterer Auswertungsbeitrag folgen. Ich schreibe bewusst "könnte" denn es ist heute noch nicht sicher gestellt, dass ich diesen Beitrag auch schreibe. Dieser letzte Satz sollte aber mit etwas Humor gesehen werden. Ich hoffe, Sie hatten Spaß beim Lesen und ich habe ihnen vielleicht im Bezug auf den Beitrag der Bildzeitung etwas die Augen öffnen können. Wer sich angesprochen fühlt, kann gerne ein paar Zeilen in unserem Gästebuch hinterlassen.



Zum Schluss noch ein kleines Gedicht auf den Zeitungsartikel.

Bild schreibt heute von dem Winter mit viel Horror,
hoffentlich gibt es in den Märkten keinen Terror,
Wenn das Streusalz alle ist,
so mancher Laster sich im Schnee fest frisst,
Da gibt es kein Öl mehr vom Lieferanten,
hoffentlich wärmen uns die Socken von den Tanten.

Drei Monate wird es werden kalt,
da schreit doch mancher nach dem Frühling bald.
Zuvor wird Deutschland im Schnee versinken,
Selbst der Weihnachtsmann wird noch mehr Kaffee trinken,
damit er dann aus den Kaffeesatz lesen kann,
denn man glaubt nicht mehr dem normalen Wettermann.

Bild und Jung sind davon überzeugt,
dass sich das Wetter ihren Wünschen beugt.
Wehe es kommt nicht so, wie sie es sagen,
können sie doch nur noch über schlechte Meteorologen klagen.
Alles Wimmern und alles Hoffen,
wie der Winter wirklich wird, bleibt offen.

Maik Thomaß, 24.10.2011 11:48

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