Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zum Festakt „20 Jahre ConAct“

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zum Festakt „20 Jahre ConAct“

Beitragvon Maik Thomaß » 29.06.2022, 15:19

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zum Festakt „20 Jahre ConAct“


„Können wir nun fahren oder nicht?“ – diese Frage war zu Beginn Ihrer Arbeit ebenso präsent wie zum 20-jährigen Jubiläum von ConAct. Die Gründe könnten unterschiedlicher kaum sein: 2001 und 2002 war es die zweite Intifada, 2020 und 2021 die weltweite Pandemie. Das zeigt: Jugendaustausch findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern steht mitten in den Konflikten und Krisen der jeweiligen Zeit.

Der Austausch, der für das lebendige Miteinander zwischen Ländern und Gesellschaften so wichtig ist, gerade der Austausch zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ist keine Selbstverständlichkeit. Er gelingt nur, wenn wir uns immer wieder neu dafür einsetzen. Umso verständlicher ist nun, da echte Begegnungen endlich wieder stattfinden, die Woge der Euphorie, von der sich jetzt viele von Ihnen getragen fühlen. Zuerst diejenigen, die diesen Austausch fördern und organisieren – aber wahrscheinlich noch viel mehr die jungen Menschen, die in den vergangenen zwei Jahren auf so viele wichtige Erfahrungen verzichten und sich vielfältig einschränken mussten.

Dass Sie Ihr Jubiläum erst verspätet feiern können, ist also in gewisser Weise doch passend, denn wir feiern heute nicht nur 20 Jahre ConAct, sondern wir feiern auch einen Neuanfang: die Rückkehr zum persönlichen Austausch, zu echten Begegnungen und zu allem, was sich durch digitale Formate doch nur sehr unvollständig ausgleichen lässt.

Aber man muss auch sagen: Es ist eine großartige Leistung, dass Sie in kurzer Zeit digitale Formate der Begegnung erdacht und umgesetzt haben. Dass Sie so vieles möglich gemacht haben, um jungen Menschen doch wenigstens virtuell den Blick in die Welt zu öffnen. Für diese Findigkeit und dieses Engagement gerade in den Zeiten der Kontaktbeschränkung danke ich Ihnen sehr.

Wenn Sie, wenn wir heute auf zwanzig Jahre erfolgreicher Arbeit zurückblicken dürfen, dann ist das Teil der einzigartigen Geschichte der Versöhnung zwischen Israelis und Deutschen, die nach den grausamen Verbrechen des Naziregimes noch immer wie ein Wunder erscheint. Ich schaue darauf immer mit tiefer Dankbarkeit und Demut. Der Jugendaustausch zwischen beiden Ländern trägt dazu bei, dass dieses Wunder von Generation zu Generation weitergegeben wird. Damit gestalten Sie die Zukunft unserer Erinnerung mit. Das Engagement junger Menschen ist unabdingbar, wenn das „Nie wieder“ lebendig im Bewusstsein bleiben soll.

Im Rückblick auf 20 Jahre ConAct denke ich auch an den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau: Er war es, der auf seiner Israel-Reise im Jahr 2000 die Idee hatte, den schon seit den 1950er Jahren bestehenden Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel zu stärken und auf ein neues Fundament zu stellen.

Seit einigen Jahren schon gibt es Überlegungen für ein Deutsch-Israelisches Jugendwerk. Das wäre eine gute und schöne Weiterentwicklung der Begegnungsinitiativen. Deswegen begrüße ich diese Überlegungen ausdrücklich und unterstütze sie, wo ich kann! Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn die nächste große Festveranstaltung nicht erst zu 25 Jahren ConAct stattfindet, sondern schon früher, nämlich anlässlich der Gründung eines Deutsch-Israelischen Jugendwerks.

Sicher aber ist: Ihre Arbeit ist und bleibt auch in Zukunft wichtig – und ich wünsche Ihnen viele erfolgreiche Begegnungen, in denen junge Menschen aus Deutschland und Israel einander näher kennen- und schätzen lernen, in denen sie wichtige Erfahrungen machen, neue Kompetenzen gewinnen und vor allem: neue Freunde.

Masel tov – auf eine gute Zukunft und einen lebendigen Austausch!
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