Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier bei der Verleihung des Philipp-Franz-von-Siebold-Preises an Keisuke Goda

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier bei der Verleihung des Philipp-Franz-von-Siebold-Preises an Keisuke Goda

Beitragvon Maik Thomaß » 29.06.2022, 15:22

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier bei der Verleihung des Philipp-Franz-von-Siebold-Preises an Keisuke Goda


In den vergangenen zwei Jahren, als die Pandemie den weltweiten Reiseverkehr zeitweilig zum Stillstand gebracht hat, wurde der Philipp-Franz-von-Siebold-Preis nicht wie üblich hier in Bellevue überreicht, sondern in der deutschen Botschaft in Tokio. Es waren, wenn Sie so wollen, zwei wirklich außerordentliche Preisverleihungen, die gezeigt haben, wie lebendig die deutsch-japanischen Beziehungen auch dann sind, wenn eine globale Krise den grenzüberschreitenden Austausch beschränkt.

Aber gegenseitiges Verständnis und gute Zusammenarbeit gedeihen vor allem dann, wenn Menschen eine Zeit lang in anderen Ländern leben und arbeiten – so wie der Arzt und Naturforscher Philipp Franz von Siebold, der im 19. Jahrhundert nach Japan aufbrach. Deshalb freut es mich sehr, dass wir heute wieder hier in Berlin beisammen sein können, um einen herausragenden Wissenschaftler aus Japan zu ehren, der in Deutschland forscht und forschen wird.

Lieber Herr Professor Goda, es ist schön, dass Sie bei uns sind, und es ist zugleich ein wichtiges Zeichen. Denn wir erleben ja gerade, wie Krisen sich überlappen, wie der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die weltweite Zusammenarbeit leider erneut erschüttert und teilweise stilllegt, auch und gerade in Wissenschaft und Forschung. Krieg, Abschottung und Stillstand verschärfen grenzüberschreitende Probleme wie Klimawandel, Artensterben, Hunger und Krankheit; lösen können wir diese Probleme nur im Frieden, durch Kooperation und durch Bewegung miteinander.

„Ich bewege mich, also bin ich“: Ich finde, dieses Zitat von Haruki Murakami bringt Ihre Haltung sehr schön auf den Punkt. Sie bewegen sich zwischen Tokio, Los Angeles und Potsdam, zwischen Chemie, Physik, Biologie und Medizin, und es ist Ihr beweglicher Verstand, der Sie auszeichnet: Sie sind immer auf den glücklichen Zufall vorbereitet, darauf, am Wegesrand etwas zu entdecken, wonach Sie vielleicht gar nicht gesucht haben.

Nicht zuletzt bringen Sie Dinge in Bewegung, indem Sie Unsichtbares sichtbar machen. Gerade forschen Sie an einem bildbasierten Verfahren, mit dem sich Blut- und Gewebezellen schnell und präzise nach Größe, Form und Oberfläche sortieren lassen. Und Sie entwickeln auf wissenschaftlicher Grundlage technische Lösungen, die uns etwa bei der Krebstherapie oder der Energiewende helfen.

Das alles tun Sie nicht allein: Sie vernetzen Forschende auf der ganzen Welt, und Sie arbeiten dabei auch eng mit deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen. Mit Ihrer Leidenschaft, Ihrer Neugier und Ihrer Kreativität bringen Sie auch Menschen in Bewegung. Sie sind ein Vorbild, gerade in dieser Zeit, in der Deutschland und Japan allen Grund haben, ihre Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsam für Freiheit und Weltoffenheit einzutreten.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie viele inspirierende Begegnungen hier bei uns in Deutschland. Ich hoffe, dass Sie bei Ihrer Forschung das Glück des Zufalls, das notwendig ist, auf Ihrer Seite haben. Und ich freue mich, Sie jetzt mit dem Philipp-Franz-von-Siebold-Preis 2022 auszeichnen zu dürfen. Herzlichen Dank fürs Kommen und vor allem: herzlichen Glückwunsch!
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